„Es gab bis heute keine aufrichtige Entschuldigung.“
„Niemand hat sich bei uns Betroffenen jemals persönlich entschuldigt.“
„Wir können nicht damit abschließen, weil niemand Verantwortung übernimmt.“
So oder so ähnlich habe ich es nach dramatischen Katastrophen schon in Reportagen, Podcasts oder Dokumentationen gehört – beim Zugunglück von Eschede, in der Berichterstattung zum Germanwings-Absturz, beim Einsturz der Eissporthalle Bad Reichenhall oder ganz aktuell im Podcast Mord auf Ex, der den Contergan-Skandal thematisiert.
Mich interessiert bei der Aufarbeitung immer: Was hat geholfen? Einmal, um ganz persönlich nicht daran zu zerbrechen (Stichwort Resilienz), aber vor allem: Welche Art der Kommunikation hilft Menschen, wieder ein Licht zu sehen?
Selten höre ich, dass Menschen durch (notwendige und richtige) Reparationszahlungen allein inneren Frieden finden.
Im erwähnten Contergan-Podcast berichtet ein Betroffener, dass sich nach 50 (!) Jahren der Sohn des damaligen Geschäftsführers und heutige Verantwortliche der Grünenthal-Gruppe aufrichtig entschuldigt und Verantwortung übernommen hat.
Neben Fonds und zahlreichen weiteren Maßnahmen war dies die erste persönliche Entschuldigung überhaupt. Als der Betroffene diesen Moment schildert, zittert seine Stimme vor Rührung. Ich finde, daraus können wir viel für unsere eigene Kommunikation lernen. Auch wenn wir persönlich – im besten Fall – kein großes Unglück zu verantworten haben, gibt es doch im Kleinen den ein oder anderen Moment, in dem wir tief in uns spüren: Eine Entschuldigung unsererseits wäre angemessen.
Das Wort „unsererseits“ ist dabei entscheidend – denn andersherum spüren wir vermutlich viel öfter, dass wir eine Entschuldigung verdient hätten. Warum fällt uns eine aufrichtige Entschuldigung so schwer? Vielleicht, weil wir zugeben müssten, im Unrecht gewesen zu sein. Einen Fehler gemacht zu haben. Und wer Fehler macht, wird vielleicht nicht mehr für wichtig gehalten. Und wer nicht für wichtig gehalten wird, wird vielleicht nicht mehr so sehr geliebt …
Der befürchtete Liebesverlust – der sich oft hinter Machtspielchen versteckt – betrifft Groß und Klein. Woher auch immer diese Hemmung kommt: Eine Entschuldigung von Herzen zeugt von wahrer Größe. Und selbst wenn juristische Bedenken mitschwingen, ob eine Entschuldigung ein Schuldeingeständnis sei, gibt es doch eine Formulierung, die möglich ist:
„Ungeachtet der Schuldfrage möchte ich mich aufrichtig dafür entschuldigen, dass Sie so viel Leid erfahren mussten.“
Und im Kleinen – seien wir ehrlich – geht es meist gar nicht um Schuld. Oft geht es nur noch um erinnerungsbasierte Wahrnehmungen.
Ein Satz wie: „Weißt du, an das, was vor x Jahren war, da komme ich nicht mehr ran. Aber zu sehen, wie sehr mein Handeln dich verletzt hat, tut mir wahnsinnig leid – und dafür möchte ich mich entschuldigen“, öffnet Herzen. Und es legt Hebel frei – zum Beispiel für gemeinsame Überlegungen, wie es ab jetzt besser werden kann. Wer jetzt sagt: „Was interessiert mich denn, ob mein Gegenüber zur Ruhe kommt oder nicht?“, der vermag das große Ganze noch nicht zu sehen. Was ich für mich mitnehme: Verantwortung zu übernehmen, die von Herzen kommt, wirkt hundertmal stärker als schnelle, materielle Lösungen, die auf „Was will ich?“ nur die eigene Ruhe zur Antwort haben.